„Dr. Eurovision“ berichtet Erstaunliches über den ESC

Dr. Irving Wolther

Präsident Jürgen Köster stimmte mit seinen positiven Erinnerungen an die internationalen ESC-Veranstaltungen auf das Thema ein: „Ja, damals machte Katja Ebstein den 2. Platz für Deutschland!“ Und Dr. Irving Wolther, Presse-Club-Mitglied und Referent des Abends, sorgte mit seiner Präsentation über den Eurovision Song Contest für Überraschung und erstaunte Gesichter.

Bekannt als „Dr. Eurovision“, hat er sogar zu diesem Thema promoviert. Anfangs belächelt, ist der Song Contest inzwischen ernst genommenes Forschungsfeld. Wolthers Dissertation „Kampf der Kulturen – Der Eurovision Song Contest als Mittel national-kultureller Repräsentation“, in der 3. Auflage erschienen, geht über die Kultur- und Musikgeschichte der Teilnehmerländer hinaus und beschreibt mit tiefen Einblicken den ESC und den damit verknüpften, so Wolther, „nationalen Kult der Selbstdarstellung“.

Seine Wurzeln hat der Song Contest in der Absicht der EBU (European Broadcast Union), das junge Medium Fernsehen voranzubringen. Dies geschah mit dem gemeinsamen internationalen Wettbewerb, der mit wenigen Nationen startete und ständig wuchs: 2019 traten beim 64. Eurovision Song Contest in Tel Aviv insgesamt 41 Teilnehmer an, von denen 26 ins Finale kamen.

Den vielen interessierten Fragen aus dem Publikum wurden spannende Antworten geboten, so zum Beispiel über das Abstimmungsverhalten oder die Teilnahme solch „exotischer“ Länder wie Australien (das ausnahmsweise teilnehmen darf, weil der ESC dort seit 1983 übertragen wird und eine große Fan-Gemeinde hat) oder Aserbaidschan. Die Antwort liegt im Detail – es geht weder um das politische noch um das geografische Europa, sondern ist begründet in den Rundfunkzonen.

Dr. Eurovision plauderte – mit köstlichen Filmaufnahmen hinterlegt – über die Anfänge des „Grand Prix de la Chanson“ in Lausanne 1956, berichtete über die Kritik am Austragungsort 1964 in der damaligen Franco-Diktatur Spanien und über die durchaus wechselvolle Geschichte der inzwischen weltweit größten Unterhaltungsshow. 2019 hatte der ESC weltweit 182 Millionen Fernsehzuschauer, weitere Millionen verfolgten ihn online.

Wolther sprach auch darüber, dass Guildo Horn als Repräsentant der deutschen Spaßgesellschaft durchaus ernst zu nehmen war und der portugiesische Fado-Beitrag just zu Zeiten erschien, als über die Aufnahme des Fado als UNESCO-Weltkulturerbe beraten wurde. Dass der ESC ein ernst zu nehmender Beitrag zum „National Branding“ ist und die enorme Werbewirkung auch ökonomisch keinesfalls zu unterschätzen. Als Beispiel nannte er Estland, das die Werbewirkung, die ihm seine Rolle als Austragungsland einbrachte, auf 14 Milliarden schätzte. Und er erläuterte die extrem wichtige Rolle des ESC für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Ein „inszeniertes Medienereignis“ sei nicht nur die Übertragung, sondern dazu die 16tägige Zeit vor dem eigentlichen Event – mit Delegationen, Partys, Events und Geschenken. Auch die politische Dimension des ESC kam zur Sprache, mit Beispielen von der erstmaligen Übergabe eines Preises direkt aus der Hand des Staatspräsidenten (Ukraine) bis zur Promotion einer neuen Flagge (Georgien).

Hintergrundwissen und Anekdoten hielten sich beim Vortrag die Waage, sodass die Aufmerksamkeit der Zuhörer jederzeit gesichert war. Mit Zahlen-, Film- und Tondokumenten wusste Dr. Eurovision die Mitglieder des Presse Club regelrecht zu begeistern – und neugierig zu machen auf die vom 28. bis 30. Juni in Hannover stattfindende UNESCON.

Bei dieser erstmalig ausgetragenen Veranstaltung lernen nationale und internationale Gäste drei Tage lang Hannover kennen. Bei der großen Orchestergala am 29. Juni werden ESC-Teilnehmer aus 7 Ländern mit mehr als 30 Beiträgen aus 64 Jahren ESC zu erleben sein, statt dem üblichen Halbplayback live mit dem „Orchester im Treppenhaus“ Hannover. Die Gäste der UNESCON erwartet ein spannendes Rahmenprogramm und dazu zählt auch die Teilnahme am Schützenausmarsch, was besonders für die internationalen Besucher ein ganz besonderes Ereignis werden dürfte.  Alle Infos unter www.unescon.de

Übrigens: Auch die Mitglieder des Presse Club Hannover sind herzlich eingeladen, teilzunehmen und gemeinsam mit dem EXPOSEEUM und der UNESCON Flagge zu zeigen für das bunte, internationale, weltoffene Hannover.

Bericht: Gil Koebberling
Fotos: Torsten Hamacher