Künstliche Intelligenz: Chancen nutzen, aber Risiken kennen

Prof. Michael Clasen bei seinem Vortrag

Nichts beflügelt die Phantasie der Menschen mehr als die Frage, wann Computer den letzten Schritt gehen und auch das Denken übernehmen, also zu Entscheidern werden. Die Angst davor, dass unser Leben durch Maschinen bestimmt wird, ist groß. Und genau hier setzt der Abwägungsprozess über Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz (KI) ein.

Der Wirtschaftsinformatik-Professor Dr. Michael Clasen hat dazu eine eigene Meinung und teilte seine Erkenntnisse im Presse Club Hannover. Am 27. Juni 2023 war er dort zu Gast mit dem Vortrag „Ökonomische Aspekte der Künstlichen Intelligenz (KI)“. Seine These: KI werde nicht aufzuhalten sein und die Menschheit müsse sich weiterentwickeln.

Über Künstliche Intelligenz wird seit dem Erscheinen der ersten Version von ChatGPT engagiert diskutiert. Denn Experten prophezeien erhebliche Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, die in viele Gebiete des öffentlichen und beruflichen Lebens einfließen werden. Das betrifft Schulen, berufliche Aus- Weiterbildung und natürlich auch Lehre und Forschung.

Das textbasierte Dialogsystem ChatGPT, das Ende November 2022 von der in San Francisco ansässigen Firma OpenAI als Web-App veröffentlicht wurde, ist quasi über Nacht in den Mainstream hineinkatapultiert worden. Experten schätzen, dass der Chatbot der am schnellsten wachsende Internetdienst aller Zeiten ist.

Und selbstredend spielt die KI in der Wirtschaftsinformatik eine tragende Rolle. Digitale Güter dürfen mit Grenzkosten nahe Null kalkuliert werden. Sie zeichnen sich durch starke Netzeffekte und vor allem durch ihre globale Verfügbarkeit aus.

ChatGPT (Generative Pre-trained Transformer) ist ein Chatbot, der künstliche Intelligenz einsetzt, um mit Nutzern über textbasierte Nachrichten zu kommunizieren. Er basiert auf der unendlichen Datenverfügbarkeit von Suchmaschinen. Global Player wie Google mit seiner 95-prozentigen Marktdominanz und die Online-Enzyklopädien von Wikipedia bewirken ein Übriges, indem sie ein schier unerschöpfliches Reservoir an Daten und Wissen bieten.

KI werde jedoch nicht nur in der Wissenschaft und Forschung zum Einsatz kommen. Der Trend werde im Business zu vollautomatischen E-Mails gehen, sagte Professor Clasen. Sachversicherer und Krankenversicherungen mit großen Dokumentenmengen werden KI-Modelle einsetzen, so seine Prognose. Auswirkungen mit eher negativen Folgen sieht Clasen im Bereich der juristischen Dienstleistung von Anwaltskanzleien. Was die Entwicklung von neuen KI-Systemen betrifft, sei Deutschland außen vor. Hier gebe es keine Entwickler von Bedeutung.

In der Lehre entwickele sich ein ähnlicher Diskurs wie in den Schulen. Clasen: „Grundsätzlich erlaube ich die Nutzung von KI. Aber das Modell der klassischen Hausarbeit, bei der es um schriftliche Leistung und Erkenntnisgewinn geht, wird verschwinden.“ Der Einsatz eines Chatbots sei schwer zu kontrollieren. Man könnte noch darüber nachdenken, die Fragestellungen anzupassen. Aber auch das werde in eine Sackgasse führen. An die Stelle von Hausarbeiten könnten Prüfungen gesetzt werden, sagte der Professor.  

Die Unsicherheit, die im Thema KI steckt, wird in Statements der KI-Projektleiterin Mira Murati von OpenAI in der Zeitung Der Standard deutlich. Sie warnt vor den Gefahren und befürwortet eine Regulierung von KI-Systemen und einen breiten gesellschaftlichen Dialog. Viele Menschen aus unterschiedlichen Bereichen, wie Sozialwissenschaftler, Künstler und Philosophen, sollten in den öffentlichen Dialog über Chancen und Risiken einbezogen werden. Denn den Entwicklern von KI sei es ohne die Unterstützung von Außenstehenden nicht möglich, auf kontrollierte und verantwortungsvolle Weise ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen.

Bericht: Holger Bahl
Fotos: Holger Bahl und Dr. Sabine Wilp